30-Stundenwoche – ist das wirklich ernst gemeint?
Wie ernst müssen wir den Aufruf linker Wissenschaftler, Gewerkschafter und Politiker zur Einführung der 30-Stundenwoche zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer sozialen Folgen nehmen?
Tatsache ist, daß uns die Transformation der Sozialen Marktwirtschaft mit dem Ziel Wohlstand für alle in eine beutekapitalistische Lobbydemokratur zusehends in ein gesellschaftliches Desaster führt. Millionen können bereits heute nicht von ihrer Arbeit leben. Im Alter ist ihnen bittere Armut sicher. Prekäre Arbeitsverhältnisse, zeitlich befristet und schlecht bezahlt, machen jede Lebensplanung unmöglich. Die langfristigen Folgen dieser offensichtlich politisch gewollten Proletarisierung für die Sozialsysteme sind katastrophal.
Während die geringsten Realeinkommen immer weiter sinken und die mittleren stagnieren, steigen auf der anderen Seite die hohen Einkommen geradezu schwindelerregend. Die brave Bürgerin und der brave Bürger, der gerade noch so sein Auskommen hat, wundert sich, welche Einkommen Manager von Großunternehmen beziehen, die offensichtlich nicht viel mehr können als Mitarbeiter entlassen und Löhne zu drücken. Zu allem Überfluß genießen solche Leute auch noch niedrige Steuersätze und leisten keine Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen. Vermögensteuer für Großvermögen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe gibt es nicht. Wer daraus Millionen Kapitaleinkünfte erzielt, erhält durch die Abgeltungssteuer einen satten Rabatt auf seine Einkommensteuer von rund 20 Prozentpunkten, während die braven „kleinen“ Bürger für ihre Kapitaleinkünfte ihren vollen Steuersatz zahlen müssen.
Es wundert nicht, daß für zukunftsrelevante Aufgaben des Staates, wie zum Beispiel Bildung und Erziehung, Sicherung auskömmlicher Versorgung im Alter sowie im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit, Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung aus regenerativen Quellen, anforderungsgerechter Ausbau der Verkehrsinfrastruktur viel zuwenig Geld vorhanden ist.
Es besteht also wirklich dringender Handlungsbedarf, wenn wir die Zukunft unseres Landes in Freiheit, sozialem Frieden und Wohlstand sichern wollen.
Besonders glaubwürdig wirkt der Aufruf allerdings nicht. Weder die Gewerkschaften noch die Politiker haben erkennen lassen, daß sie die bereits seit mindestens zwei Jahrzehnten deutlich sichtbaren Probleme ernsthaft lösen wollen. Denen zugehörig, die ja selbst prächtig versorgt sind und sich um ihre eigene finanzielle Zukunft wenig sorgen müssen, ist man unter mehr oder weniger lauem Protest auf der neoliberalen Gleitschiene in die beutekapitalistische Lobbydemokratur einfach mitgeschwommen. Was soll jetzt die Forderung nach einer generellen Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich?
Und was soll sie zu einer wirklichen Problemlösung beitragen?
Unsere Gesellschaft ist wie alle modernen Gesellschaften weltweit von zwei fatalen Krankheiten befallen: 1. von der Ökonomisierung des Menschen, die sich in seiner fortschreitenden Erniedrigung zum bloßen Mittel wirtschaftlichen Handelns ausdrückt, und 2. von dem neoliberalen Aberglauben, aus dem skrupellosen Kampf der Eigeninteressen ergäbe sich automatisch allgemeines Wohl. Beide Krankheiten führen – einander verstärkend – letztlich zur Auflösung der Gesellschaft. Die beutekapitalistische Lobbydemokratur ist das charakteristische Symptom dieser Krankheit, die durch eine 30-Stundenwoche mit vollem Lohnausgleich ebensowenig geheilt werden kann wie die Pest mit Kokain.
Fazit: Ja, eine Reform muß dringend sein, 30 Stunden für jeden können es aber auf gar keinen Fall sein.
Quelle: openPR
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