Gewährleistung im Gebrauchtwagenhandel – Wer ist beweispflichtig?
Ingolf hat zwei Jahre lang eisern gespart und sich kürzlich im Autohaus der Nachbarstadt einen Gebrauchtwagen gekauft, der seinen Vorstellungen entsprach. Es war ein Vorführwagen mit einer Laufleistung von ca. 14.000 Kilometern. Vier Wochen nach dem Kauf reklamierte Ingolf eine leichte Verformung des Kotflügels und eines Stoßfängers. Er verlangte die kostenlose Beseitigung des Mangels im Wege der Gewährleistung für Gebrauchtwagen.
Der Autohändler lehnte die kostenlose Beseitigung des Mangels ab, weil der Schaden bei der Übergabe noch nicht vorhanden gewesen sei. Das Autohaus berief sich auf einen Zustandsbericht, der von beiden Vertragspartnern bei Übergabe des Fahrzeuges unterschrieben und als Vertragsbestandteil erklärt wurde. In dem verwendeten Formular war der Zustand der Karosserie wie folgt beschrieben: „Einwandfreier Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und Verschleiß, regelmäßig gewartet, voll funktionstüchtig“.
Ingolf ist jedoch der Ansicht, dass ihm der Mangel durch den Gebrauchtwagenhändler bei Vertragsabschluss verschwiegen wurde, denn die Beschädigung ist bei künstlicher Beleuchtung in der Fahrzeughalle des Autohauses nicht zu erkennen. Im Freien, bei einem bestimmten Winkel der Sonneneinstrahlung ist die Beschädigung an der Karosserie jedoch erkennbar.
Da sich der Autohändler nach wie vor weigert den Mangel kostenlos zu beheben, fragte Ingolf Rudi um Rat.
Rudi fand heraus, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ähnlichen Fall mit Urteil vom14. September 2005 zur Frage der Gewährleistung im Gebrauchtwagenhandel für äußere Beschädigungen eine Richtung weisende Entscheidung getroffen hatte.
Rudi erläutert Ingolf, dass ein Unternehmer (z.B. ein Autohaus), der ein Gebrauchtfahrzeug an einen Verbraucher (hier an Ingolf) verkauft, im Rahmen der Gewährleistung für Mängel am Fahrzeug grundsätzlich zwei Jahre haftet. Gebrauchtwagenhändler dürfen die Gewährleistung für gebrauchte Fahrzeuge vertraglich höchstens auf ein Jahr beschränken. Tritt ein Mangel innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe auf, wird zu Gunsten des Käufers vermutet, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war (§ 476 BGB).
Laut vorgenanntem BGH – Urteil gilt die Vermutung zu Gunsten des Käufers eines Gebrauchtfahrzeuges, dass ein Mangel, der innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe auftritt, bereits bei Übergabe vorgelegen habe, auch bei leichten Karosseriebeschädigungen, die jederzeit auftreten können.
In Ingolfs Fall ist der Sachmangel in den ersten sechs Monaten nach der Übergabe aufgetreten. Somit greift die gesetzliche Vermutung des § 476 BGB, nach der der Mangel bereits bei der Übergabe des Fahrzeuges vorhanden war. Da der Autohändler die kostenlose Beseitigung des Mangels zu Unrecht abgelehnt, rät Rudi Ingolf, dem Autohaus eine letzte Frist zur kostenlosen Beseitigung des Mangels zu setzen und darauf hinzuweisen, dass er nach Fristablauf als Käufer berechtigt ist, vom Kaufvertrag zurück zu treten und die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu verlangen.
Rudi wies Ingolf vorsorglich darauf hin, dass er Glück gehabt habe, dass er das Fahrzeug bei einem Autohändler gekauft hat, denn wenn sein Vertragspartner kein Autohaus (Unternehmer) gewesen wäre, sondern ein anderer Bürger (Verbraucher) wie er selbst, wäre die Rechtslage für ihn anders bzw. ungünstig, da für solche Gebrauchtwagenverträge andere Bestimmungen gelten.
(besprochen/mitgeteilt von RECHTSANWALT Bernhard LUDWIG, Bad Langensalza und Gotha)
Quelle: openPR
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Kategorien: Recht, Urteile