Japanischer Nationaltrainer misshandelt Judoka
Ein Aufschrei geht durch die Öffentlichkeit: Der Cheftrainer der japanischen Judo-Nationalmannschaft sieht sich schweren Anschuldigen ausgesetzt: Ryuji Sonoda soll seine weiblichen Schützlinge systematisch misshandelt haben. Eine sofort angestrengte Untersuchung des japanischen Judoverbands fand die Anschuldigungen zum Teil bestätigt, gibt Sonoda aber eine zweite Chance.
Die 15-köpfige japanische Judo-Nationalmannschaft der Damen, darunter auch Teilnehmerinnen der Sommerspiele 2012 in London, berichtete gegenüber dem Nationalen Olympischen Komitee Japans über Misshandlungen im Training. Schläge ins Gesicht, aber auch Schläge mit dem Shinai (japanisches Bambusschwert) sollen an der Tagesordnung gewesen sein.
Sonoda hat hier offenbar die Trainingsmethoden der Vergangenheit, die er möglicherweise während seiner eigenen aktiven Zeit im Training kennengelernt hat, auch heute angewendet. Es ist bedauerlich dass Sonoda nicht Gewalt als normalen Bestandteil des Trainings betrachtet hat. Besser wäre es wohl gewesen, sich Erkenntnissen der modernen Sportwissenschaft zu öffnen und das Training darauf abzustimmen.
Selbst im Trainingslager in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im letzten Sommer soll es zu Gewalt gekommen sein. Athletinnen beschweren sich aus meiner Sicht völlig zu recht, wenn sie vom Trainer trotz Verletzungen gezwungen werden, an Wettkämpfen teilzunehmen.
Nach diesen Anschuldigungen hatte das Nationale Olympische Komitee Japans den Japanischen Judo Verband mit Ermittlungen beauftragt.
Trainer nicht suspendiert
Auf einer Pressekonferenz sagt Koshi Onozawa, Präsident des Judo-Verbands in Tokyo: „Wir haben Informationen erhalten, dass Herr Sonoda, der Cheftrainer der Frauen-Nationalmannschaft, Athleten körperlich gequält haben könnte.“ Die ersten vorliegenden Ergebnisse der Untersuchungen bestätigen die gegen Sonoda erhoben Beschuldigungen. Der Japanische Judo Verband hat daraufhin Sonoda und weitere Trainer ermahnt, jedoch nicht suspendiert. Für den Fall, dass sich solche Vorfälle wiederholen sollten, wurden härtere Strafen angekündigt.
Sonoda selbst bekennt sich zu den erhobenen Anschuldigungen. Gegenüber der Narichtenagentur Kyodo sagt der 39-jährige Ex-Weltmeister: „Bis jetzt habe ich die Dinge auf die Weise erledigt, die ich für passend hielt.“ Er gelobt allerdings Besserung. Er werde nun die Dinge ändern, die geändert werden müssten.
Auch der ehemalige Arbeitgeber Sonodas, die japanische Polizei, hat bereits die Ermittlungen aufgenommen. „Wir versuchen, die Fakten rund um diese Angelegenheit zu bestätigen“, lässt die Polizei der Präfektur Tokyo verlauten.
Der japanische Sportminister Hakubun Shimomura hat ein Umdenken in der japanischen Trainingslehre und einen Bruch mit alten Traditionen gefordert. „Es ist Zeit, dass die Japaner die Idee aufgeben, dass die Anwendung von Gewalt zum Arsenal eines Trainers gehören könnte.“
Die Vorfälle im Judo reihen sich lückenlos ein in die Reihe der Übergriffe japanischer Trainer. Erst vor wenigen Wochen beging ein Schüler Selbstmord, weil er von seinem Basketballtrainer wiederholt körperlichen Züchtigungen ausgesetzt war. Ein Gesetz aus dem Jahr 1947 untersagt Lehrern Gewalt gegen Schüler zur Durchsetzung ihrers Willes. Gleichwohl gibt jedoch keine gesetzlich verankerten Strafen bei Verstößen gegen dieses Gesetz.
„Wir müssen darauf achten, wie Trainer im Bereich Sportwissenschaften an den Universitäten ausgebildet werden, um einer Wiederholung vorzubeugen“, sagte Sportexperte Tomohiro Noguchi (Nihon Universität).
Eine im Januar 2011 veröffentlichte Studie ist schockierend. Sie kommt zu dem Schluss, dass in Japan jedes Jahr im Durchschnitt vier Kinder während des Judotrainings sterben. Dabei sind die nun bekannt gewordenen Vorfälle keineswegs allein für den Judosport typisch, sondern kennzeichnen eher das völlig „normale“ Trainingsgeschehen in Japan, wie es sogar im japanischen Fernsehen (NHK) dokumentiert und landesweit ausgestrahlt wird.
Gewalt im Training ist ein offenes Geheimnis. Gewalt durch Lehrer und Trainer im Sport wird im Land der aufgehenden Sonne toleriert. Wie lange noch?
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