Keine Kapitalisierung mit 5 % Jahreszinsen
Im Schadensersatzrecht werden vor allem nach schweren Unfallereignissen mit Personenschäden zwischen Geschädigten und Haftpflichtversicherern häufig Vergleiche zur endgültigen Regulierung der Ansprüche abgeschlossen. Diese erfassen in der Regel auch erst künftig entstehende Schäden, zumeist im Bereich des Verdienstausfalles und des Haushaltsführungsschadens. Solche, in die Zukunft reichenden Forderungen werden dann kapitalisiert und durch eine Einmalzahlung abgefunden. Streit besteht meistens über die Höhe des Zinssatzes, mit welchem dabei gerechnet wird. Je höher der Zinssatz liegt, umso weniger bekommt der Geschädigte ausbezahlt.
Dagegen, dass bei einer Kapitalisierung auch eine Abverzinsung der erst künftig entstehenden Ansprüche vorgenommen wird, ist nichts einzuwenden. Denn der Geschädigte erhält ja bereits eine Zahlung auch für Schäden, die erst in der Zukunft entstehen werden. Streitig ist aber, mit welchem Zinssatz gerechnet werden darf. Die Versicherungswirtschaft versucht meist einen Zinssatz von 5 % p. a. durchzusetzen und beruft sich dabei auf ältere Entscheidungen der Rechtsprechung. Diese sind aber vor dem Hintergrund der Entwicklung der Leitzinsen von EZB und Bundesbank nicht mehr haltbar. Denn angemessen ist nur ein Zinssatz, der bei sicherer Geldanlage auf dem Kapitalmarkt realisiert werden kann. Die typischerweise als Referenz herangezogenen Staatsanleihen bieten einen derart hohen Zinssatz heute nicht mehr und es ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Auch die Lebensversicherer werden künftig wahrscheinlich nur noch einen Garantiezins von 1,25 % gewährleisten können.
Die Rechtsprechung hat den Rückgang der Zinssätze mittlerweile zur Kenntnis genommen und ist vom „Dogma“ eines 5 %igen Zinssatzes abgerückt. Vielmehr betonen nunmehr sowohl der Bundesgerichtshof (BGH, 24.04.2012, XI ZR 360/11) als auch die Instanzgerichte (OLG Koblenz, 10.04.2013, 3 U 1498/12; LG Bremen, 15.11.2012, 2 O 1420/11), dass auf die konkreten Umstände und Begebenheiten abgestellt werden muss. Danach kann derzeit nicht mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein Geldbetrag mit 4 % oder mehr anlegen lässt.
In der Praxis muss also auf die aktuellen Möglichkeiten zur sicheren Geldanlage geachtet werden. Selbst wenn man mit einer gewissen Erhöhung der Zinsen in den nächsten Jahren rechnen kann, erscheint eine Kapitalisierung allenfalls bei Ansatz eines Zinssatzes von maximal 2,00 % p.a. vertretbar.
Rechtsanwalt Dr. Alexander T. Schäfer
Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht
Hochstraße 17 – 60313 Frankfurt am Main
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Quelle: openPR
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Kategorien: Recht, Urteile
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