Springen im Kumite
Im Kumite scheint sich immer mehr eine Unsitte einzubürgern: Das wilde Herumspringen der Kontrahenten. In der Grundschule hat dies jedenfalls niemand so gelernt. Fragt man sie warum sie springen, so ist die Antwort offensichtlich: es geht darum, den Gegner aus dem Konzept zu bringen, ihn zu verwirren und so eigene Vorteile zu ziehen.
Allerdings ist dieses Problem nicht so neu, wie man vielleicht denken mag. Dies hat es auch früher schon gegeben. Wenn man sich jedoch einmal alte Kämpfe der großen Karatemeister ansieht, wird man staunen, da dort ein Herumspringen nicht vorkommt. Vielmehr Tasten sich die beiden Kontrahenten vorsichtig aneinander heran…
Als Nakayama Sensei dieses Herumspringen bei einem Lehrgang bemerkte, unterbrach er das Training und fragte den Schüler: „Sag mir doch bitte, was das Springen soll …!“ Der Schüler wusste hierauf keine Antwort, weshalb ihm Nakayama Sensei ein Shinai in die Hände gab und ihn anwies: „Greif mich an!“ Der Schüler packte das Bambusschwert fest mit beiden Händen, senkte seinen Körperschwerpunkt ab und machte sich für den Angriff bereit.
Als Nakayama Sensei dies gewahr wurde unterbrach er und sagte zu dem Schüler: „Stopp mal! Du sollst genauso springen und mich angreifen! Also den Angriff nicht aus einer tiefen Stellung heraus führen!“
„Aber Sensei,“ entgegnete der Schüler, „das geht doch nicht …“
Darauf erwiderte Nakayama Sensei: „Genau …! Und trotzdem springst du herum …“
Diese kurze Begebenheit illustriert eindrucksvoll den Unsinn des Herumspringens. Ohne eine feste Stellung gibt es keine starke und letztlich erfolgreiche Technik. Die Wirksamkeit einer Technik wird entscheidend von der Stellung als Ausgangsposition für die darauf folgende Technik bestimmt.
Oder nehmen wir das Beispiel eines guten 100-Meter-Sprinters. Ich habe bisher noch keinen Spitzen-Sprinter gesehen, der nicht aus dem Tiefstart heraus losgelaufen wäre und gleich gar keinen Sprinter der sich gar erlaubt hätte an der Startposition herumzuspringen. Warum wohl?
Durch das Springen werden einerseits unnötig Kräfte verschwendet. Andererseits aber – und das ist das Entscheidende – ist es sobald man sich in der Luft befindet unmöglich auf einen stattfindenden Angriff angemessen zu reagieren, denn die dafür unbedingt notwendige feste Stellung ist just in jenem Augenblick eben nicht vorhanden. Steht man einem weniger gutem Gegner gegenüber mag dies nichts heißen, ein guter Techniker jedoch wird das Springen seines Kontrahenten nutzen und spätestens beim dritten Mal einen in diesem Moment äußerst erfolgversprechenden Ashi Barai einsetzen, dem man nach dem Sprung – also im schwächsten Moment – einfach nichts entgegen zu setzen hat.
Der von den Verfechtern des Springens immer wieder ins Feld geführte Überraschungsmoment wird durch die vielen sich ergebenden Nachteile schnell aufgewogen. Wird man auf dem falschen Bein erwischt, gibt es keine Chance. Ohne Kraft ist jede Technik zum Scheitern verurteilt. Ohne eine feste Basis (Stellung) wendet sich die Kraft gegen den Ausführenden mit der Folge, dass ihm seine eigene Technik zum Nachteil gereicht.
Das Springen mag neben dem eventuell vorhandenen Überraschungsmoment lediglich einen tatsächlichen taktischen Vorteil bringen, nämlich den, dass die Distanz für den Gegner – sofern man nicht nur auf der Stelle sondern vor und zurück springt – schwerer einzuschätzen ist und allein aus diesem Umstand heraus ein gewisser Vorteil entstehen kann. Doch auch hier bleibt letztlich festzuhalten, dass dies nur bei einem durchschnittlich begabten Kämpfer Erfolg versprechend ist, denn es ist keinesfalls so schwer den Rhythmus zu stören und genau in dem Moment eine Technik ins Ziel bringen in dem der Sprung nach vorn geht …
Allein vom Gesichtspunkt der Kraft, die beim Springen zwangsläufig einfach nicht vorhanden ist, verbietet sich das Springen eigentlich schon von selbst. Wenn es im Kampf allerdings nur darum gehen sollte, den Gegner egal wie zu berühren – Hauptsache es sieht nach einer Technik aus – dann sollte man allerdings beim Springen bleiben. Gleiches gilt, wenn Techniken ohnehin nicht kraftvoll ausgeführt werden müssen oder eine Wertungstechnik des Gegners keine Rolle spielt.
Trotzdem wäre ich sehr gespannt zu erfahren, was sonst noch für das Springen spricht und welche Vorteile es bringt…
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