Wie trainieren junge Japaner Karate?

Im Grunde natürlich auch ähnlich wie wir hierzulande, nur dass die Trainingsintensität und die Trainingshäufigkeit eine andere ist.
Spätestens nach dem Ende des Studiums ist für viele Japaner jedoch ihre Karatezeit vorbei. Der Grund ist einfach: Ihnen fehlt einfach die Zeit, denn viele japanische Firmen erwarten von ihren Angestellten deutlich mehr als dies in Deutschland der Fall ist. Bei täglich 10-12 Stunden im Büro plus Wegzeit (meist auch mindestens 1 Stunde für die einfache Strecke) bleibt am Ende keine Zeit mehr für Freizeitaktivitäten gleich welcher Art.
Nicht anders als in Deutschland auch sind es häufig die Eltern, die ihre Kinder in ein Karatedojo schicken. Während der Grundschulzeit (Shogakko = 1. bis 6. Klasse in Deutschland) wird dort allerdings nicht nur ein- oder zweimal pro Woche trainiert sondern beinahe täglich. Die Freizeitgestaltung besteht damit zum größten Teil aus Karate. Direkt im Anschluss an die Schule machen sich die Kinder nach ihrer Heimkehr erneut auf den Weg ins Karatedojo.
Das Training dort ist meist noch relativ locker und doch deutlicher auf Spaß ausgelegt. Schließlich sollen die Kinder gern zum Training kommen. Die Kinder lernen eher spielerisch in einer für sie angenehmen Atmosphäre vergleichbar mit vielen Kinderkursen etablierter Sportvereine in Deutschland.
In der Mittelschule (Chugakko = 7. bis 9. Klasse in Deutschland) ändert sich das Training drastisch. Jetzt gehen viele nicht mehr in das private Karatedojo sondern werden Mitglied im Karateclub ihrer Schule. Diese Schulclubs sind in etwa mit den angebotenen Arbeitsgemeinschaften an deutschen Schulen vergleichbar, nur dass während eines Schuljahres nicht beliebig gewechselt werden kann und darüber hinaus nicht jeden Tag eine andere Arbeitsgemeinschaft auf dem Plan steht, sondern für das jeweilige Schuljahr ausschließlich die gewählte Arbeitsgemeinschaft den Mittelpunkt der „außerschulischen“ Freizeitgestaltung bilden wird und das an mindestens fünf, meist jedoch sieben Tagen die Woche. Auch steht von nun an nicht mehr der Spaß im Vordergrund sondern es geht in erster Linie um den Erfolg. Japanische Schulen stellen ihre Leistungsfähigkeit nicht nur in Bezug auf Lernerfolge unter Beweis, sondern kämpfen insbesondere auch auf sportlichem Gebiet um Ruhm und Anerkennung. Da Meisterschaften meist sogar im nationalen Fernsehen (NHK) übertragen werden ist nachvollziehbar und verständlich, dass diese Form kostenloser Werbung für die Schule gern genutzt wird. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass sich das Training zu einer sehr ernsten Angelegenheit entwickelt, die keinen Raum für kindische Späße mehr erlaubt.
Ein anderer Grund liegt aber darin, dass die japanischen Schüler untereinander die Sempai (älterer Schüler) – Kohai (jüngerer Schüler) – Beziehung untereinander extrem stark ausleben. Die Kohai müssen für die Sempai alles – und ich meine wirklich alles – tun. Sie sind in dieser Zeit die Herren. Eben weil sie in ihrer „Kohai“- Zeit ebenso herumgestoßen, herumgeschubst und fast wie Sklaven der damaligen Sempai behandelt wurden, nutzen sie Gelegenheit sobald sie andere unter sich haben, um all ihren angestauten Frust abzulassen und sich nun ihrerseits aufzuspielen.
Das ist eine leider sehr unschöne Seite der Medaille. Umgekehrt jedoch muss sich der Lehrer selbst kaum um Disziplin kümmern, da die Sempai diese Aufgabe wahrnehmen und auf Einhaltung der Disziplin achten. Zugleich spornen sich die Schüler untereinander zu persönlichen Bestleistungen an. Diese Gruppendynamik birgt jedoch auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Schüler verfügen nicht über genügend Erfahrungen um die Grenzen ihrer Mitschüler einerseits richtig einzuschätzen und andererseits auch zu respektieren. Dies führt im Ergebnis immer wieder zu fatalen Trainingsunfällen mit teils sogar tödlichem Ausgang, weil bis zur totalen Erschöpfung trainiert wird.
Neben dem regulärem Training üben die meisten jedoch zusätzlich vor und auch nach dem offiziellen Training weiter um ihre Technik zu verbessern oder die eine oder andere Schwierigkeit zu meistern. Dies ist für sie nicht nur eine Selbstverständlichkeit sondern auch eine Frage der Ehre, der Rücksichtnahme und des Respekts anderen gegenüber, denn sie wollen die Gruppe in ihren Fortkommen nicht behindern und setzen daher alles daran, in ihrer Person begründete Hemmnisse auszumerzen, damit sie anderen nicht unnötig zur Last fallen.
In der Oberstufe (Highschool = 10. – 11. Klasse in Deutschland) verschärft sich die Trainingsintensität noch einmal erheblich. Tägliches Training – in den Ferien ganztags ist an der Tagesordnung. Dies geht soweit, dass die Schüler an 7 Tagen die Woche Karate üben und im ganzen Jahr nur drei trainingsfreie Tage haben, die meist um Neujahr herum liegen.
Dass ein solches Trainingspensum wirklich gut ist, darf bezweifelt werden. Andererseits erklärt dies aber auch, warum japanische Karateka in relativ kurzer Zeit eine vergleichbar fortgeschrittene Technik entwickeln. Das Trainingspensum allein in den drei Jahren Oberstufe ist in etwa vergleichbar mit einem zehnjährigem Training in einem Verein bei uns bei weizen der Regel üblichen zwei Trainingseinheiten pro Woche.
Das Training selbst ist meist recht ähnlich aufgebaut und bietet wenig „Abwechslung“. Einer der älteren Schüler (Sempai) übernimmt in der Regel die Erwärmung. Ansonsten ist das Training recht gleichmäßig auf Kihon, Kata und Kumite verteilt. Japaner lernen auch Karate wie in der Schule überwiegend durch unablässige Wiederholung. Für lange theoretische Erklärungen ist kein Raum, wobei eine Ursache auch sein könnte, dass viele japanische Lehrer zwar die Techniken korrekt ausführen können, aber ähnlich wie viele Trainer hierzulande auch die funktionellen Zusammenhänge nicht erklären können. Durch zahllose Wiederholungen wird schließlich jeder früher oder später in der Lage sein, die Technik richtig ausführen zu können.
Was jedoch den japanischen Schüler extrem stark vom deutschen Schüler unterscheidet sind neben der erheblich höheren Ernsthaftigkeit und dem erheblich höherem Trainingspensum die Geduld mit der die Techniken geübt werden und nicht zuletzt auch der Respekt vor den Sempai (älterer Schüler) und erst recht vor dem Lehrer (Sensei). Es käme keinem japanischen Schüler in den Sinn mit seinen Sensei zu diskutieren, auch nur im Entferntesten seine Autorität in Frage zu stellen oder ihn gar respektlos zu behandeln. Gleiches gilt im Übrigen für die Sempai, wenngleich hier die Distanz doch etwas geringer ist und auch zahlreiche Freundschaften zwischen Kohai und Sempai bestehen. Letztlich haben viele „Sempai“ nur wenig mehr Trainingserfahrung als der Schüler selbst und sind meist auch nur geringfügig älter. Dennoch ist es eine Selbstverständlichkeit den Sempai gegenüber ähnlich respektvoll wie dem Sensei gegenüber selbst aufzutreten.
Die Dojo-Etikette gehört für japanische Schüler dazu und es steht außer Frage, dass diese selbstverständlich beachtet werden muss. Karate ist Karate-Do und damit Budo. Ohne Beachtung der Etikette gibt es keinen wirklichen Fortschritt. Wenngleich der Wettkampf gerade an Schulen einen bedeutenden Platz einnimmt, so haben viele Japaner anders als hierzulande für sich verinnerlicht, dass das oberste Ziel im Karate nicht Sieg oder Niederlage sind, sondern dass es immer um die Vervollkommnung des eigenen Charakters geht.

geschrieben von: Neues Unterhaltsames Interessantes von Budoten am: 5.01.2012
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